TRINÄR: Nino

TRINÄR: Nino

 

Nino

Er war nach Turin zurückgekehrt. In diese altehrwürdige Stadt. Einstmals Hauptstadt von Italien. Die Stadt, die immer neidvoll auf Florenz oder Rom blickt und Saló vergisst, auf die große Rivalin Mailand, die schlaflos Geschäftige.

Er wohnte in einem der alten Arbeiterviertel in dem sich der blendende Glanz der Metropole verbraucht hat. Nachmittags ging er in den nahe gelegenen Park, einem Refugium zwischen den sich weit ausdehnenden Häuserblocks, in denen sich das Leben abspielt, tagaus und tagein, unermüdlich, während die Müdigkeit in den Gesichtern der Bewohner zu lesen ist.
Er hatte ihn in einer Pizzeria kennengelernt. Wie alle Pizzerien war sie die beste Pizzeria der Welt, bestimmt aber Italiens, wenn nicht gar des Piemonts, möglicherweise der Stadt, wahrscheinlich des Viertels, zumindest aber der Straße in der er wohnte.
Er mochte seine unaufdringliche Art, wie er an seinen Tisch kam, wie er erklärte, was es heute aus der Küche an Besonderheiten gäbe, das nicht auf der Karte stand, dass die frische Meeräsche sehr empfehlenswert sei, er wisse das, weil er sie selbst probiert habe, oder die Tagilatelle con Funghi Porcini.
Ihn beeindruckte wie er sich bewegte, leicht, fast sanft, geradezu rund erschien jede seiner Bewegungen, die Sicherheit die er ausstrahlte, seine gepflegten Hände und der Gesichtsausdruck eines Wissenden.

Er blieb jedoch bei dem, was er meist in diesem Lokal bestellte, Tintenfischsalat als Vorspeise, der Pasta mit Venusmuscheln folgte. Eine Karaffe mit Wasser stand ohnehin auf dem betuchten Tisch. Der junge Mann nahm die Bestellung auf und bestätigte, er habe wie immer eine gute Wahl getroffen.
Von nun an besuchte er die Pizzeria in immer kürzeren Abständen bis er fast täglich dort einkehrte, um zu Abend zu essen. Nur am Montag war Ruhetag.
Eher aus der Zufälligkeit einer Situation heraus, hatte er sich mit dem jungen Mann verabredet. Am Montag verbrachten sie den Tag zusammen. Und die Nacht. Und später die vielen anderen Nächte und darauf folgenden Vormittage bis elf Uhr. Denn um elf Uhr begann seine Arbeit in der weltbesten Pizzeria.

Er war nach Turin zurückgekehrt. In diese altehrwürdige Stadt.
Einstmals…

H.-U. Heuser

III/2025

Nino 1
© Conni Middendorf
Nino 2
© Conni Middendorf